Aequilibrium

15. Dezember 2014 § 4 Kommentare

Du magst Gleichgewichte.
Beim Kochen legst du den Holzlöffel quer über die Basis des Pfannenstiels, ein Stückchen vor, ein Stückchen zurück, bis das Gewicht von Stiel und Laffe genau austariert ist. Du könntest den Löffel auch aufs Brettchen legen; aber lieber bewegst du dich vorsichtig in der Küche, achtsam, daß nichts fällt, daß alles in Schwebe und Gleichgewicht bleibt.
Deinen Laptop stellst du auf dem wackeligsten Bücherstapel in der Wohnung ab. Tassen stapelst du im Regal akrobatisch übereinander. Nicht um der Gefahr willen, nicht weil das brenzlich ist oder abenteuerlich, sondern, denke ich mir, weil du es schön findest, eine zarte Ordnung in der Welt zu halten. Du magst das Seltene, das Schützenswerte. Du magst auch das Flüchtige; daß alles vergänglich ist, daß Dinge enden, macht dich nicht traurig.
Du magst Gleichgewichte, die empfindlichen, die leicht zu kippenden, die fragilen und die labilen, die, die Behutsamkeit erfordern, daß sie nicht zerstört werden. Die, die trotzdem halten. Man muß nur gut achtgeben, und du gibst acht. Du probierst aus, welche Dinge man aufrecht hinstellen kann. Gläser stellst du gern dicht an die Tischkante, und du hast mir gesagt, ich hätte das einmal korrigiert, in einem unbewußten Automatismus der Sicherheit das Glas mittiger auf den Tisch geschoben. Ich schämte mich ein wenig, und nahm mir fest vor, deine zarten Equilibrien zu erkennen und sie dir immer zu lassen. Neulich war ich es, dem der gläserne Pfannendeckel auf dem Küchenboden zersplittert ist.
Ich mag es, wenn du Dinge im Gleichgewicht magst. Schließlich ist unsere ganze Geschichte nichts anderes als ein zartes, kostbares Equilibrium.

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